Es mag daran liegen, dass diese Methode nicht einfach zu „fassen“ ist. Das liegt einerseits an der Vielfältigkeit der Möglichkeiten die in Kombination mit der Feldenkraismethode angeboten werden, andereseits am unterschiedlichen Erleben derjenigen, die ihre ganz eigenen Erfahrungen mit Feldenkrais machen. Vielleicht auch daran, dass in der Öffentlichkeit ein etwas gar sanftes Bild der Methode gezeigt wird – Teilnehmer aus Feldenkraislektionen zeigen sich nicht mit muskelbepackten, frisch gestählten und gestylten Körpern - sondern kommen aus den Lektionen mit teilweise leuchtenden Augen und manchmal fast etwas verträumt. Ein beschwingter Gang inmitten der „Rush-Hour“ – Das alles ist eher suspekt in unserer Gesellschaft.
Einige Aussagen zur Methode
Feldenkrais ist Bewegungstherapie
Feldenkrais wird gelehrt und gelernt, nicht nur therapiert
Feldenkrais ist auch Persönlichkeitsbildung
Feldenkrais ist eine sanfte Methode zum Verbessern unserer Bewegungsfähigkeiten
Feldenkrais wird am Boden liegend ausgeführt
Feldenkrais wird in Gruppenlektionen angeboten, der Feldenkrais-Therapeut leitet die Lektionen verbal an
Feldenkrais wird auf der Liege in Einzeltherapie angeboten, der Therapeut leitet mit den Händen durch die Lektion, dabei wird nicht gesprochen
Feldenkrais kann mit allen Sportarten verbunden werden
Feldenkrais ist nur „Tonus“-Regulation
…..
Diese Liste liesse sich noch lange fortsetzen und alle haben Sie teilweise oder ganz recht – denn:
Feldenkrais ist eine Methode, so individuell wie der einzelne Mensch mit all seinen Möglichkeiten, Vorstellungen, Wünschen und Empfindungen
Schauen wir also etwas genauer hin:
1904 in Russland geboren, war Feldenkrais in der ersten Hälfte seines Lebens Physiker. Zusammen mit Joliot Curie führte er die erste Kernspaltung in Frankreich durch.
Seit seiner Jugend betrieb er Judo und andere Sportarten und entwickelte so ein überdurchschnittliches Interesse für effiziente Bewegung. Motiviert durch eine Verletzung seiner Knie, begann er damit zu experimentieren, wie man Menschen helfen könnte, einen besseren Gebrauch ihrer angeborenen Fähigkeiten zu erlernen. Dies führte ihn damals zu Entdeckungen über die Zusammenhänge zwischen unseren körperlichen Bewegungen und der Art, wie wir denken und fühlen. In jahrzehntelanger Forschungsarbeit entwickelte er zwei miteinander verbundene Wege zu erhöhter Körperwahrnehmung, die er Bewusstheit durch Bewegung (ATM= Awarness through Movement) und Funktionale Integration nannte (FI).
Was sich also heutzutage bereits herumgesprochen haben sollte, war damals noch eine Revolution: Körper und Seele sind „Eins“:
Seele und Körper beeinflussen sich gegenseitig, da die Seele schwieriger zu beeinflussen ist arbeite ich mit dem Körper….
Und….
Mich interessiert nicht nur ein beweglicher Körper, sondern auch ein beweglicher Geist.
M. Feldenkrais hat über 1000 spannende Bewegungslektionen erfunden und hinterlassen – mit diesen Lektionen wird auch heute noch weltweit in den berufsbegleitenden mehrjährigen Ausbildungen gearbeitet. Die Lektionen haben Namen wie:
1. Beugen und atmen
2. Drehen und wenden
3. Lehnen und heben
4. Freies Atmen
5. Müheloses Sitzen
6. Entspanntes Gehen
Es sind Lektionen zu allen möglichen Bewegungen, Für jedes Gelenk, jede Muskelgruppe gibt es gezielte Übungen, die auf subtile Weise auch den Geist schulen.
In diesen unzähligen Bewegungslektionen ist für jede Altersgruppe, für jeden Menschen, für jedes Interesse, für jede Sportart, für jeden Musiker, Sänger ….. etwas dabei.
So wird also eine Bewegungslektion unterrichtet, gelehrt – und dies kann selbstverständlich einen therapeutischen Effekt haben und Schmerzen reduzieren. Beide Aussagen sind also wahr: Es ist eine Lern- und Therapiemethode.
Unsere Einstellungen, z.B. uns selbst gegenüber was wir fähig sind zu tun, unsere Vorstellungskraft, Aufmerksamkeit und Wahrnehmungen werden neu erfahren und organisiert – es gilt also auch: Feldenkrais ist eine Persönlichkeitsbildung.
Es gibt Lektionen im Liegen, Sitzen und Stehen, im Laufen, Hüpfen und Kriechen – einfach in jeder denkbaren Art wie Bewegung möglich und ausführbar ist – schliesslich benötigen wir sie alle.
Sie fahren Ski und die Schwünge nach rechts sind schwieriger als diejenigen nach links ? Erforschen Sie die dazu notwendigen Bewegungsabläufe mit Hilfe ihres Feldenkraislehrers und erobern Sie danach die Piste erneut.
Sie mögen Gruppenlektionen und haben keine grösseren Beschwerden ? Besuchen Sie einen Gruppenkurs – hier werden Lektionen zu verschiedenen Themen angeleitet. Stören Sie sich nicht daran, wenn Sie dabei neben einer 90-jährigen Oma liegen oder sitzen, die es leichter kann als Sie – die Dame war evtl. schon jahrelang in Lektionen. Sie werden auch nicht kritisiert – da die Lektionen zu ihrem ganz eigenen Weiterkommen helfen sollen und Ihre Neugierde wichtiger ist als die Perfektion.
Sie haben gezielte Fragen oder Beschwerden – hier sind Privatlektionen bei einer Feldenkraislehrerin geeignet um etwas mehr ins Detail zu gehen. Dabei tragen Sie bequeme Kleidung und Ihre Therapeutin leitet Sie an, begleitet Sie mit Worten und Händen. (Ja auch in den Einzellektionen kann und darf gesprochen werden)
Offen bleibt noch die Frage, warum die Feldenkrais-Lektionen so oft als „sanft“ beschrieben werden, auch bei den kompliziertesten Verrenkungen. Die Antwort findet sich im:
Weber-Fechner'sches Gesetz
Das Weber-Fechner-Gesetz besagt, dass der kleinste, als unterschiedlich wahrzunehmende Reiz in einem konstanten Verhältnis zum bereits vorherrschenden Reiz steht. Im Bereich kinästhetischer Empfindungen (also unserem Sinneskanal für Berührungsreize, Druck, Gewicht oder dergleichen), beträgt die Konstante etwa ein Vierzigstel. Wenn Sie also mit geschlossenen Augen einen Briefumschlag mit einem Gewicht von 40 Gramm in der Hand halten, genügt eine Zunahme von nur einem Gramm, um Ihnen das Gefühl einer Veränderung zu geben. Wenn Sie jedoch eine 40 kg schwere Kiste hochheben, muss man Ihnen schon mindestens ein weiteres kg Gewicht dazugeben, um Sie auf eine Veränderung im Gesamtgewicht aufmerksam zu machen.
Unser Gehirn lernt vor allem durch Vergleichen und Wahrnehmen von Unterschieden. Wenn ich also eine neue Bewegung erfahren möchte, ist es hilfreich etwas weniger „laute Muskulatur“ zu benutzen – also alles etwas sanfter angehen.
Verwechseln Sie jedoch nicht „sanfter“ mit „Kraftlosigkeit“. Es handelt sich eher um eine neue Art der „Kraftverteilung“ im Körper.
Das alles sollte Ihnen eigentlich nicht unbekannt vorkommen – es wäre nicht klug als Kochanfänger so rasch die Zwiebel schneiden zu wollen wie der Chef und auch der Fahrschüler benötigt etwas mehr Zeit bis ein flüssiges Anfahren am Berg möglich ist.
(Bewegungs-) Möglichkeiten die in uns sind